Zweite Liebe

In den letzten Jahren habe ich mein Mindset in Bezug auf gebrauchte und reparierte Dinge ordentlich durchgerüttelt. Dabei herausgekommen ist Wertschätzung und die Liebe zu Dingen, die Geschichten erzählen. Ich mag Geschichten.

Was in der Generation meiner Oma noch selbstverständlich – weil notwendig – war, wurde über die Jahre irgendwie von einer fragwürdigen Einstellung abgelöst. Sich neue Dinge zu kaufen, war und ist für viele Menschen ein Ausdruck von Wohlstand. Second Hand-Käufe hingegen ein Zeichen mangelnder finanzieller Mittel, ebenso wie das Reparieren kaputter Gegenständen. Für mich passt beides nicht. Heute. Das war aber nicht immer so.

Meine Einstellung gegenüber dem Wert von Dingen hat sich komplett geshiftet. Inzwischen finden sich in unserer Wohnung so viele Gegenstände, die alle schon ein Vorleben außerhalb dieser Wände hatten.

Ich feiere es, wenn ich es schaffe, Dinge richtig fresh aufzuarbeiten! 

Als Tilly sich ein Puppenhaus wünschte, habe ich für nicht mal € 10 ein altes kleines Feuerwehrhaus gebraucht erworben und es zum Puppenhaus umgearbeitet.

Der Kaufmannsladen wurde vor Tilly schon von drei anderen Kindern bespielt und macht mit neuem Anstrich auch bei uns Freude.

Selbst der Stuhl auf dem ich gerade sitze, hatte schon ein anderes Zuhause – wie einige Stühle in dieser Wohnung… Der Küchentisch an dem ich diese Zeilen schreibe, besteht aus der alten Schreibtischplatte aus Studienzeiten und macht mit zwei neuen einfachen Holzböcken einen richtig schlanken Fuß. So einfach und so gut!

Schwieriger ist mir der Shift bei Kleidung gefallen, da ich einfach unheimlich viel geshoppt habe. Unnötig. Kleidung hatte kaum die Chance zu verschleißen. Traurig, aber wahr. Als ich anfing, bewusster zu konsumieren und mich damit auseinander zu setzen, WARUM ich eigentlich so oft das Bedürfnis hatte, neue Dinge zu kaufen – kann man ruhig mal machen! – bin ich auf die Bremse getreten. Und oh Wunder, nicht nur bei Tillys Kleidung zeigten sich erste Verschleißerscheinungen. DER Zeitpunkt, mich auch hier mit der Frage „Reparatur oder Wegwerfen?“ und meinen Skills in puncto reparieren von Kleidung auseinanderzusetzen. Der Anfang war nicht easy – und irgendwie unangenehm war es zunächst auch, mit einem ausgebesserten Shirt rumzulaufen – WHY????. Aber auch das war nur ein weiteres altes Gedankenmuster, welches sich überraschend zügig wandelte. Das war übrigens auch ziemlich genau die Phase, in der mir die Idee mit unseren „hej Tilly“-Patches kam 😉

Heute machen wir auch aus dem Besuch der Bibliothek regelmäßig ein Happening. Leihen Werkzeug von der dahingehend besser bestückten Nachbarschaft. Oder ziehen Blumensenker und tauschen sie – was ich ziemlich cool finde! UND kaufen dennoch genug Dinge neu. Aber eben mit einer bewussteren Überlegung dahinter.

Es ist faszinierend, wie ein kleiner Shift in gewohnten Mustern, eine Welle in so vielen Lebensbereichen auslösen kann. Wie sich Gewohnheiten ändern. Gesunden. Nicht nur für mich oder mein Umfeld. Wenn es gut kommt, hat mein Handeln einen größeren Impact.